Westfälische Nachrichten 7.5.2016

Ungewöhnlicher Beruf, ein Artikel von Gabriele Hillmoth

Petra Wiegert und Svenja Gasche haben vor zwei Jahren die Tanzschule Heidi Sievert übernommen. Die beiden Tanzpädagoginnen haben ihr Hobby zum beruf gemacht.

 Um ihren Arbeitsplatz werden Svenja Gasche und Petra Wiegert oft beneidet. Romantik umgarnt die beiden Frauen. Vor allem kleine Mädchen, die das erste Mal in die Ballettschule kommen, sind hingerissen. Dabei sind Büro und Tanzsaal schlicht eingerichtet. Riesige Spiegel hängen an den Wänden. Trotzdem strahlt der Arbeitsplatz von Svenja Gasche und Petra Wiegert eine besondere Atmosphäre aus. Nur mit Tütü-Romantik, Tüll und Spitzentanz hat ihr Job heute nichts zu tun.

Svenja Gasche und Petra Wiegert stehen mit beiden Füßen fest auf dem Boden, um das Schulleben mit rund 700 Schülern geordnet auf die Bühne zu bringen. Sie sind Managerinnen ihrer Schule, sie unterrichten und fördern Tänzerinnen, die sich aufs Studium vorbereiten. Harte Arbeit – bis in die Fußspitzen. „Kein Tag ist wie der andere“, sagt Petra Wiegert. Die Schulleiterinnen sind stolz auf ihren Job: „Kein Nullachtfünfzehn-Beruf.“

Die Tanzpädagoginnen haben ihr Hobby zum Beruf gemacht, erzählen sie. Vor neun Jahren sind sie in die Leitung der Ballettschule von Heidi Sievert eingestiegen. Svenja Gasche bekam zwischenzeitlich Sohn Paul, der heute vier Jahre alt ist. Zeitlich bringt sie Familie und Schule unter einen Hut. Wie bei Petra Wiegert.

Vor zwei Jahren haben die beiden Frauen die Ballettschule dann übernommen, seitdem bestimmt das Schulleben komplett ihren Alltag. „Aber unser Beruf ist doch etwas Besonderes“, sagen sie. Dass die Tage in der Woche manchmal lang werden, das sei normal.

Svenja Gasche kommt aus einer Familie, in der auch ihre drei Schwestern und ihre Mutter getanzt haben. Die Gievenbeckerin war eigentlich in der rhythmischen Sportgymnastik unterwegs. Mit acht Jahren, erinnert sich die 45-Jährige, „kam ich zum Ballett“.

Petra Wiegert war etwas eher im Ballettsaal anzutreffen. Mit sechs Jahren hat die gebürtige Ostbevernerin angefangen. Später baten die Eltern, dass sie doch einen „ordentlichen Beruf“ erlernen sollte. Petra Wiegert absolvierte eine Ausbildung und bekam Kontakt zur Ballettschule Sievert. Der Funke sprang über. Petra Wiegert holte ihr Abi am Overberg-Kolleg nach und schielte auf ein Sportstudium in Köln – bis der Tanz den Takt vorgab. Die 50-Jährige lernte Svenja Gasche kennen, beide entschieden sich für ein Tanzstudium in Rotterdam. Ein hartes Los. Bei der Aufnahmeprüfung wurde gesiebt, die beiden Tänzerinnen aus Münster kamen durch. Im ersten Ausbildungsjahr seien sie noch 80 gewesen, „nach der vierjährigen Ausbildung waren wir nur noch 20“, die ihr Studium zur Diplom-Tanzpädagogin abgeschlossen haben.

Dann sprangen die beiden Münsteranerinnen ins kalte Wasser. Die Tanzpädagoginnen unterrichteten bei Heidi Sievert und verdienten sich ihre Spitzenbrötchen als selbstständige Honorarkräfte in einer Gymnastikschule, an einer Freilichtbühne und bei zahlreichen Engagements.

Heute sind sie die Chefs einer Schule, was aber nicht heißt, dass sie nur am Schreibtisch hocken. Für Petra Wiegert sind Yogaübungen ein Einstieg in den Tag, für Svenja Gasche ist es der kleine Sohn Paul. Dann geht es los – mit Bürokram und Elterngesprächen.

Momentan bereitet sich das Schultandem auf die 20. Vorstellung der Ballettschule unter dem Motto „Schritt für Schritt am 11. und 12. Juni im Theater vor. Karten gibt es noch. Schätzungsweise 300 Mitwirkende sind dabei. Petra Wiegert und Svenja Gasche feilen an den Choreografien. Svenja Gasche kreiert die Vorstellungen ihrer Gruppen auf dem Papier, Petra Wiegert probt Schritt für Schritt im Saal. Die Spiegel verzeihen keinen Fehler.

Was den Tanzpädagoginnen viel mehr zu schaffen macht, ist das zunehmende Pensum ihrer Kursteilnehmer in den Schulen. Das wirft oft den Unterrichtsplan in der Ballettschule um. „Vor 16 Uhr können wir nicht anfangen.“